Wenn Worte zu Waffen und Texte zu Tatorten werden, beginnt mein Einsatz

Ich bin Sprachprofiler am Institut für Forensische Textanalyse. Mein Job ist es, anonyme Täter anhand ihrer Sprachmuster zu überführen. Das faszinierende an meiner Arbeit ist der Blick hinter die Kulissen, in die Abgründe der menschlichen Psyche. Wo nach außen hin heile Welt gespielt und ein süßes Leben gepostet wird, darf ich hinter die Fassaden sehen. „Der Ring an deinem Finger macht dich hässlich!“, „Dein Mann betrügt dich schon seit der Hochzeitsnacht!“ oder „Passen Sie auf wenn Ihre Kleinen draußen spielen …“.

Eine anonyme Nachricht kommt selten allein

Oft kommen sie in Serien und begleitet von unangenehmen Folgeerscheinungen. Das Misstrauen des Partners, der auf einmal alles kritisch hinterfragt. Der Freundeskreis wendet sich ab, weil böse Gerüchte die Runde machen. In der Arbeit bittet der Chef zum Gespräch unter vier Augen und spricht eine letzte „gut gemeinte“ Warnung aus. Und dann die ständige Angst vor dem, was wohl als nächstes passieren wird. Das Schlimmste ist für viele Betroffene die Ungewissheit, nicht zu wissen, wer da so feige aus dem Dunklen schießt. Eine anonyme Nachricht hat schon manches Leben nachhaltig verändert. Nicht nur privat.

Oft sind unsere Auftraggeber Unternehmen

Dann werden beispielsweise Führungskräfte angegriffen. Auch hier ist das Spektrum der Behauptungen breit gefächert. „X hat über fingierte Beraterverträge Millionen ins Ausland verschoben …“, „Im Bereich Y wird regelmäßige gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen …“, „Z hat die Gegenseite während der Verhandlung mit internen Informationen versorgt …“, oder „Wenn Sie unseren Forderungen nicht nachkommen machen wir ernst!“.

Die anonymen Täter sind manchmal Mitbewerber, enttäuschte Kunden, Kooperationspartner, eiskalte Kriminelle, Aktivisten, gelegentlich auch frustrierte Mitarbeiter, ehemalige oder aktuelle. Auf einmal stehen Polizei, Steuerfahndung oder Staatsanwaltschaft vor der Tür. Später zeigt die Akteneinsicht: Auslöser war ein sehr konkretes anonymes Schreiben. Gespickt mit Insiderwissen und, wie sich dann herausstellte, einigen Halbwahrheiten und etlichen Lügen. Die Vorwürfe erwiesen sich schnell als haltlos. Das Bild auf den Titelseiten der Zeitungen bleibt: Steuerfahnder, die schwere Kisten aus der Konzernzentrale schleppen.

Unser Job ist es, Klarheit zu schaffen

Dem anonymen Täter anhand seiner Sprachmuster ein Gesicht zu geben. Manchmal ist es auch unser Auftrag, Verdächtige nach Möglichkeit zu entlasten. Dazu tauchen wir tief in die Texte ein. Machen Muster sichtbar, die den meisten Menschen beim Lesen verborgen bleiben.

Während Sie dieses Buch lesen, werfen Sie einen Blick über meine Schulter. Sie begleiten mich bei unseren Einsätzen als Sprachprofiler, erhalten Einblicke in unsere verrücktesten Fälle und ermitteln gemeinsam mit uns gegen anonyme Täter. Beim ein oder anderen Fall habe ich Ihnen auch Textstellen aus echten Drohbriefen und Erpresserschreiben mit abgedruckt. Vielleicht haben Sie Lust, beim ersten Lesen schon einmal darauf zu achten, ob Ihnen sprachliche Besonderheiten ins Auge stechen. Diese werden wir brauchen, um am Ende gemeinsam einen Ermittlungserfolg zu feiern. Mit jedem Fall werden Sie mehr und mehr an Sicherheit gewinnen und erfahren, worauf wir Sprachprofiler achten, um erfolgreich zu sein.

Auf dem Weg durch dieses Buch werden Sie in zahlreichen Fällen ermitteln

Diese sollen Ihnen ein Gefühl für das Spektrum unserer Einsätze und unserer Ermittlungsansätze vermitteln. Natürlich habe ich die Fälle so gewählt, dass Sie jederzeit spannend unterhalten sind und auch der ein oder andere Überraschungsmoment garantiert ist. Denn oft sind sich unsere Auftraggeber sicher, wer der anonyme Täter sein muss. Dann werden wir angeheuert, um einen hieb- und stichfesten Beweis dafür zu liefern. Dabei kommt es aber regelmäßig vor, dass sich ein Auftraggeber grundlegend täuscht. Dann bekommt der Fall plötzlich eine unerwartete Wende, die Sie beim Lesen genau so kalt erwischen wird, wie uns bei der Analyse. Der eine Fall wird Sie schockieren, ein anderer faszinieren, der nächste kopfschüttelnd zurücklassen. Ich selbst erlebe beim Lesen alles, von Spannung über Spaß bis hin zu kurzem, körperlichem Schmerz. Mal sehen ob es Ihnen auch so geht.

Auf jeden Fall sollen unsere Fälle Ihnen zeigen, wie spannend Sprache sein kann. Wir werden Kommunikation im Allgemeinen und Sprache im Besonderen aus einer ganz ungewohnten Perspektive beleuchten. So wollen wir Sie neugierig machen auf mehr! Dazu müssen Sie kein großer Fan von Grammatik, Rechtschreibung oder Zeichensetzung sein. Auch wenn Sie sagen: „Von Grammatik habe ich schon mal irgendwann, irgendwo, irgendetwas gehört, meine Rechtschreibung stimmt sicher so im Groben und Kommas setze ich rein nach Gefühl …“, werden Sie Spaß an diesem Buch haben. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.

Für uns Sprachprofiler ist Sprache in erster Linie Identität

Egal ob gesprochen oder geschrieben. Sie ist ein Teil von uns. Und egal wie wir uns ausdrücken, ob einfach oder gehoben, gestochen oder gebrochen, gespickt von Fehlern oder fast frei davon, es ist ok. Es geht uns nicht um Perfektion. Ehrlich gesagt freut sich ein Sprachprofiler über jeden Fehler, den er findet. Denn er kann helfen dem Täter auf die Spur zu kommen. Und gerade weil sich dieses Buch an Jedermann und jede Frau richtet, werden wir auf Fachlatein verzichten. Für die paar wenigen Stellen, an denen das nicht möglich ist, haben wir hinten im Buch in Fachwortverzeichnis mit kurzen Erläuterungen eingefügt. Auch werden wir keine einzige Studie langatmig zitieren. Dafür bekommen Sie dann Extra-Tipps zum Weiterlesen. Dieses Buch soll Spaß machen und Sie im Alltag weiterbringen. Für unsere Kollegen, für Linguisten, Germanisten, Sprach- oder Kommunikationswissenschaftler schreiben wir dann bei Zeiten gerne ein Fachbuch.

Wenn Sie Lust haben, gemeinsam mit uns anonyme Täter zu überführen

Wenn Sie den geheimen Mustern der Sprache auf die Spur kommen wollen. Wenn Sie neben unseren Ermittlungen ihre ganz persönliche Mission Menschenkenntnis starten wollen, dann haben Sie sich genau für den richtigen Lesestoff entschieden. Sie werden lernen, wichtige Verhaltensmuster zu erkennen und erfahren wie stark diese Muster auf unsere Sprache durchschlagen. Wir verraten, wie Ihre Worte noch wirksamer und Ihre Texte noch treffsicherer werden. Vielleicht gelingt es Ihnen damit in Zukunft an der ein oder anderen Stelle noch ein bisschen besser zu überzeugen. Sie werden erleben, welche psychologischen Fallen bei der Bewertung von Informationen auf uns lauern und wie wir diese unschädlich machen können. Sie bekommen ein ganzes Arsenal an psychologischen Tricks und kommunikativen Kniffen, die Ihnen den Umgang mit anderen leichter und angenehmer machen.

Wir werden Sie mit dem bestmöglichen Handwerkszeug ausrüsten, damit Sie in Zukunft noch genauer wissen, woran Sie bei Ihrem Gegenüber sind

Das, was der andere sagt, sagt der das nur so? Oder meint der das auch wirklich? Hat er einen Hintergedanken, oder nicht? Macht sie gerade einen Witz, oder meint sie das ernst? Erzählt er alles was wichtig ist, oder behält er einen wesentlichen Teil zurück? Wird sie sich wirklich voll und ganz für mich einsetzen, oder war das nur ein Lippenbekenntnis? Wenn Sie dieses Buch aufmerksam gelesen haben, wissen Sie, wie Sie in Zukunft herausbekommen, was andere wirklich sagen!

Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer Mission Menschenkenntnis,

und vor allem, viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen!

Ihr Patrick Rottler

 

 

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