Was tun bei Whistleblowern im Unternehmen?

Wenn Whistleblower Schlagzeilen machen, dann meist auf der Bühne der internationalen Politik. Aber auch in kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen können Hinweisgeber im eigenen Haus ihre Stimme erheben. Dann heißt es, damit richtig umzugehen.

Whistleblower: Helden oder Verräter?

Whistleblower sind seit den Enthüllungen von Edward Snowden und Chalsea Manning auch in Deutschland ein Begriff. Es handelt sich dabei um Hinweisgeber, die vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit tragen.

Die Menschen haben dieses Thema zeitweise sehr hitzig diskutiert und oft verbunden mit der Frage, wie man solche Hinweisgeber bewerten soll: Als Kämpfer für Gerechtigkeit oder als Verräter?

Auch innerhalb von Unternehmen sind Whistleblower ein Thema. Als potentielle Quelle zum Aufdecken interner Probleme, aber auch als Gefahr. Prof. Dr. Ralf Kölbel sprach für einen Beitrag mit dem Magazin „Einsichten“ der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er stellt fest, dass sich die Politik dem Thema angenommen hat und Whistleblower in Zukunft besser schützen will, indem sie Hinweisgeber unter einen besseren rechtlichen Schutz stellt.

In den letzten Jahren hat das Thema Whistleblowing und der Schutz von Hinweisgebern weltweit an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Unternehmen, Organisationen und Regierungen erkennen die wichtige Rolle von Whistleblowern bei der Aufdeckung von Missständen und illegalen Aktivitäten.

Als Reaktion darauf haben viele Länder neue Gesetze und Richtlinien eingeführt, die den Schutz von Whistleblowern verbessern sollen. Diese Gesetze bieten denjenigen, die Missstände melden, Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen wie Kündigung oder Strafverfolgung. Darüber hinaus können Whistleblower in einigen Ländern auch finanzielle Belohnungen erhalten, wenn ihre Informationen zur Verfolgung von Straftaten oder zur Verbesserung von Geschäftspraktiken beitragen.

Anforderungen an Hinweisgebersysteme nach EU-Richtlinie

Der 17.12.2021 ist ein Stichtag für alle Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern. Denn dann werden Whistleblower-Systeme Pflicht. Die Unternehmen sind aufgefordert, interne Maßnahmen zu ergreifen und Kanäle einzurichten, die Hinweisgebern aus den eigenen Reihen Anonymität und Vertraulichkeit zusichern.

  • Implementierung von (technischen) Möglichkeiten zur schriftlichen und mündlichen Meldungen von Misständen.
  • Gewährleistung des Schutzes der Identität, sowohl des Hinweisgebers, als auch Personen, die erwähnt werden
  • Erste Rückkopplung durch Bestätigung der Meldung an den Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen
  • Zweite Rückkopplung durch Rückmeldung an den Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten
  • Dokumentation der eingegangenen Meldungen und des Vorgangs
  • zusätzliche Maßnahmen, die gewährleisten, dass persönliche oder berufliche Nachteile wie Einschüchterung oder Kündigungen verhindert werden

UPDATE: Gesetz zum Hinweisgeberschutz beschlossen

Am 12. Mai 2023 stimmte nach langem Hin und Her auch der Bundesrat dem Gesetzentwurf zu. Das Hinweisgeberschutzgesetz kann somit in Kraft treten.

Es sind nun einige Anpassungen bei den Meldeverfahren vorgesehen. So sollen externe und interne Meldestellen nicht mehr verpflichtet sein, anonyme Meldungen entgegenzunehmen, aber dennoch sollen anonyme Meldungen weiterhin bearbeitet werden. Wenn es möglich ist, intern gegen Verstöße vorzugehen sollten Hinweisgeber eine interne Meldestelle bevorzugen. Zusätzlich wird der Bußgeldrahmen bei Fällen, in denen die Meldung behindert oder Repressalien ergriffen werden, nach dem Beschluss des Vermittlungsausschusses nun auf 50.000 Euro reduziert, im Vergleich zur ursprünglich vorgesehenen Höhe von 100.000 Euro.

Diese Änderungen werden teilweise als Aufweichung des Hinweisgeberschutzes verstanden und führten prompt zu Kritik. So fordert bspw. der Deutsche Gewerkschaftsbund Nachbesserungen am Gesetz, um Whistleblower noch besser zu schützen.

 

Whistleblower im Unternehmen nutzen: Hinweisgebersysteme etablieren

Die Implementierung von Whistleblower-Systemen soll nicht nur als lästige Pflicht verstanden werden. Für Unternehmen bergen sie auch Chancen.

1. Probleme erkennen

Hinweise aus Ihrer Belegschaft sind oftmals der einzige Weg, Misstände im Unternehmen aufzudecken. Die Täter versuchen alles, um grobe Verletzungen der Unternehmensinteressen zu vertuschen. Die Führung ist in den meisten Fällen zu weit vom operativen Geschäft entfernt, um mögliche Indizien für schädigendes Verhalten zu erkennen. Daher sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigste Quelle für derartige Informationen. Mit einem Meldetool können Sie die Compliance-Arbeit in Ihrem Haus sinnvoll erweitert. Sie erkennen Probleme frühzeitig und können Strategien für die Zukunft entwickelt.

2. Vertrauen aufbauen

Mitarbeiter zögern oft, Hinweise auf Misstände zu geben, weil sie Nachteile für sich und ihre Karriere befürchten. Ein optimales Whistleblower-System garantiert Anonymität, sofern der Hinweisgeber dies wünscht. Das Meldesystem leitet den Hinweis an zuständige Compliance-Mitarbeiter weiter. Direkte Kollegen und Vorgesetzte des Hinweisgebers werden nicht involviert. Auf Basis dieser Hinweise kann sich die Compliance im Unternehmen für weitere Maßnahmen entscheiden und den Sachverhalt prüfen. Solche internen Meldekanäle bieten im Idealfall auch die Möglichkeit, Kontakt zum Hinweisgeber aufzunehmen, ohne dessen Identität offenzulegen. So bieten Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit frei von der Leber zu sprechen, ohne Angst vor Gesichtsverlust und persönlichen oder beruflichen Konsequenzen haben zu müssen.

3. Missbrauch vermeiden

In vielen Unternehmen sieht man Hinweisgeber nicht nur positiv. Die Angst ist groß, dass Interna in die Öffentlichkeit getragen werden oder dass Mitarbeiter Meldesysteme als Instrument für persönlich motivierte Schlammschlachten missbrauchen. Für uns am Insitut für forensische Textanalyse sind genau diese Fälle unser tägliches Geschäft. Die Implementierung von Whistleblower-Systemen kann sogar helfen, genau solche Bedenken auzuräumen. Grundsätzlich muss sich ein Unternehmen immer im Klaren sein, dass Misstände unter den falschen Umständen öffentlich breitgetreten werden. Besonders ohne Hinweisgeber-Systeme. Der Schaden für den Ruf der Mitarbeiter oder des gesamten Unternehmens kann dabei enorm werden.

Umso wichtiger ist es, den Mitarbeitern durch Meldesysteme ein Ventil zu geben, ihre Hinweise frühzeitig abzugeben, bevor diese andere Wege beschreiten. Dazu ist es jedoch nötig, ernsthaft mit den Hinweisen umzugehen und diese nicht zu ignorieren. Unabhängige Mitarbeiter müssen jeden Fall prüfen. Lebt die Geschäftsführung und das Unternehmen diese Werte, nehmen Sie potentiellen Tätern frühzeitig die Legitimation eines anonymen Angriffs. Wenn jeder die Möglichkeit hat, seine Beobachtungen zu melden, gibt es keine Rechtfertigung für diffamierende und rufschädigende Kampagnen. Diese Klarheit schafft Vertrauen. Bei Hinweisgebern und beim Rest der Belegschaft.

Wir als Insitut für forensische Textanalyse sehen berechtige Hinweise solcher Whistleblower in Unternehmen nicht als unseren Einsatzbereich. Wir kommen zum Einsatz, wenn strafrechtliche Grenzen überschritten werden, wenn anonyme Kampagnen dem Unternehmen oder anderen Mitarbeitern bewusst schaden sollen. Berechtige Hinweise auf Misstände sehen wir als ein positives Tool, das Unternehmen und Unternehmensführung für sich nutzen können.

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